Montag, 11. März 2019

1825 - EIN KLEINES GEHEIMNIS UND GROSSE ENTDECKUNGEN



1825 - Echoes of Vienna on Historical Harp


Sie fragen sich: Wofür steht 1825? Dieses kleine Geheimnis und andere interessante Hintergründe erfahren sie im folgenden Interview, in welchem Ihnen die Harfenistin ELISABETH PLANK Einblicke in die letzten Vorbereitungen zum Erscheinen ihrer neuen CD gewährt. 

Elisabeth Plank wurde mit nur neun Jahren ins Förderprogramm der Wiener Universität für Musik aufgenommen und debütierte mit 17 Jahren solistisch am Wiener Konzerthaus. Seither ist die internationale Preisträgerin regelmäßig als Solistin und mit Orchestern, wie zuletzt mit dem Barockensemble der Wiener Symphoniker, an renommierten Spielstätten und Festivals in Europa, Asien, dem Nahen Osten und Südamerika zu Gast.

Planks erste Solo-CD begeisterte Fachmagazine im In- und Ausland, so schwärmte beispielsweise Gramophone von Planks brillanter Gestaltung von Licht und Schatten, ihrer musikalischen Kreativität und der atemberaubenden Schönheit ihrer Klangwelt. 

Zu neuen "ungehörten" Klangwelten bricht Elisabeth Plank mit ihrem nächsten CD-Projekt auf, wobei es sich ganz genau genommen wohl mehr um ein "wiederhören" längst vergangener Klänge handelt, gleich einem Echo aus vergangener Zeit. 

Und jenes Echo erschallt von nirgendwo sonst, als aus Elisabeth Planks Geburtsstadt selbst: Wien. Die Künstlerin begab sich auf die Suche nach Werken, die ihrem Instrument an einem musikgeschichtlichen Wendepunkt gewidmet wurden, als sich ein neuer Harfentyp aufgrund technischer Errungenschaften begann, über die Grenzen von Traditionen hinwegzusetzen. Sie entdeckte nicht nur faszinierende Werke jener Zeit, die auf ihrer neuen CD erstmals eingespielt wurden, sondern auch ein Instrument, das aus eben jener Zeit stammt: eine restaurierte historische Doppelpedalharfe, ein Original aus dem Hause Érard, jener legenderen Werkstatt, die den Klang des königlichen Instruments für die Zukunft verändern, emanzipieren und mit unzähligen Nuancen bereichern, kurz - revolutionieren - sollte.

Die CD "1825 - Echoes of Vienna on Historical Harp" erscheint in wenigen Wochen beim Wiener Label Gramola.


K und K Wien: Wie kam es zum Titel “1825”?

Elisabeth Plank: 1825 ist das Baujahr der Harfe mit welcher diese Aufnahme entstand.
Die Idee für eine, meiner Heimatstadt Wien gewidmeten, CD hatte ich schon lange, wusste allerdings noch nicht genau auf welche Weise. Als ich dann aber zum ersten Mal mit dieser Harfe und ihrer Klangwelt in Berührung kam, nahm das ganze Projekt erst Form an. Das Instrument war also der Auslöser für die CD, gewissermaßen wurde im Jahre 1825 auch schon der Grundstein für dieses Album gelegt.


K und K Wien: Nach welchen Kriterien hast Du die Werke gesucht und ausgewählt?

Elisabeth Plank: Die Auswahl der Werke basiert auf verschiedenen Kriterien. Ganz wichtig war mir, dass die Stücke, bzw. auch ihre Formen, charakteristisch für das 19. Jahrhundert sind, aber gleichzeitig auch noch für unsere modernen Ohren genießbar. Mit den Stücken wollte ich außerdem die Entstehung des Harfenstils vertonen, also zeigen, wie die Erfindung der Doppelpedalharfe die heute typischen Harfenklänge und –effekte erst möglich machte und wie diese immer mehr zum Bestandteil des Repertoires wurden. 


K und K Wien: Welche Rolle spielt die Stadt Wien für Dich?

Elisabeth Plank: Wien hat mich als meine Heimatstadt sehr stark geprägt, in Sprache, Kultur und Lebensart, aber natürlich fühle ich mich vor allem musikalisch hier verwurzelt. Schon als Kind konnte ich mich der allgegenwärtigen Musik in dieser Stadt nicht entziehen. Als ich dann begann Harfe zu lernen, fühlte ich mich aber mit meinem Instrument in diesem reichen, aber eben oft „harfenfreien“ Musikleben vernachlässigt. Später stieß ich immer wieder auf Spuren der Harfe in Wien aus früheren Jahrhunderten. Diese CD ist also auch eine Spurensuche und eine Versöhnung. 

 
K und K Wien: Wie war Deine erste Begegnung mit der historischen Erard Harfe aus dem 19. Jahrhundert?

Elisabeth Plank: Es war ein Zufall. Ich war auf der Heimreise aus Deutschland nach meiner ersten CD-Aufnahme und Rainer M. Thuraus Werkstatt lag auf der Strecke. Ich war schon sehr müde und wäre fast nicht mehr hingefahren. Zum Glück habe ich mich doch noch umentschieden und bin dort dann „meiner“ Erard begegnet. Ich hatte zuvor solche Instrumente nur hinter Glas in Museen gesehen und gehört hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nur historische Einfachpedalharfen. Als ich dann den Klang dieser alten Doppelpedalharfen zum ersten Mal hörte, war ich sofort fasziniert. Etwas an diesem Klang, an diesem Instrument, hat mich einfach nicht mehr losgelassen.

 
K und K Wien: Inwiefern klingen die Stücke anders, wenn man sie mit einer modernen Konzertharfe oder einer historischen Doppelpedalharfe spielt?

Elisabeth Plank: Dazu muss man wissen: eine moderne Doppelpedalharfe klingt im Vergleich zu einem modernen Konzertflügel unausgewogen, da bei einer Harfe jeder Oktavbereich anders schwingt. Bei einer historischen Doppelpedalharfe sind diese Unterschiede noch viel größer. Wenn man diese beiden Harfen miteinander vergleicht, klingt die moderne Harfe so ausgewogen wie ein Konzertflügel.
Die Literatur des frühen 19. Jahrhunderts besteht ja oft aus virtuosen Läufen, Arpeggien, kurzgesagt: aus vielen Noten. Auf modernen Konzertharfen wird daraus oft einfach nur ein Schwall an Tönen, auf der zeitlich dazupassenden Harfe kann man diese Musik durch ihren unausgewogeneren Klang viel differenzierter gestalten. Dadurch bekommt diese Musik dann für mich mehr Charme, und somit mehr von ihrer Aussage zurück. Durch die Auseinandersetzung mit der historischen Doppelpedalharfe kann ich diese Erkenntnisse mit einigen Einschränkungen auch auf eine moderne Harfe übertragen.


Elisabeth Plank (c) Pewal


Elisabeth Planks neue CD "1825 - Echoes of Vienna on Historical Harp" wird am 9. Mai 2019 um 19.00 Uhr im Sommerrefektorium der Wiener Michaelerkirche vorgestellt. Auch dieser Ort ist, wie die Werke ihrer CD, eine Entdeckung, denn nur wenige kennen jene prachtvoll pitoresken historischen Räumlickeiten im Herzen Wiens. 
(Für Informationen und Anmeldungen zur Präsentationsveranstaltung kontaktieren Sie bitte: presse@kundkwien.com.)

Wer Elisabeth Plank zuvor live erleben möchte, der hat demnächst die Gelegenheit bei ihrer Rückkehr in den Wiener Musikverein am 5. April dabei zu sein, wenn sie gemeinsam mit dem Adamas Quartett in einem Programm mit Werken von Caplet, Patterson, Korngold, Schostakowitsch, Bruno-Videla und Debussy zu hören sein wird. 


Elisabeth Plank (c) Pewal


Weiterführende Links:
Elisabeth Plank
Agentur K und K Wien
Gramola CD-Label 
Wiener Musikverein





Sonntag, 6. Mai 2018

PAR UNE BELLE NUIT

In "Par une belle nuit" two celebrated protagonists of the classical french music scene, mezzo soprano Delphine Haidan and bass Jérôme Varnier allure ther audience to the enchantingly beautiful world of french art song from the creations of Charles Gounod to Gabriel Fauré, Ernest Chausson, Camille St. Saens and Henri Duparc. In the following interview the artists talk about their new concert program. 





K und K Wien: You are both prominent protagonists of the classical French music scene. How did you meet and for which projects have you already worked together?

We met at the Opera School of Paris Opera, and participated in many opera and oratorio concerts together. We had not yet approached French music as a duet.

K und K Wien: When did the idea of "Par une belle nuit“ arise?

When we put together the musical pieces that could match the theme of our program, the title of Gounod's melody appeared to us as obvious.

K und K Wien: How would you describe or define French elements in music?

The history of French melody is marked by "salon" music played in private venues (as opposed to the programs given in concert halls), which produced more intimate works, often for voice and piano, and which conditioning an original, more intimate musical form where poetry mixes with melodic invention. French writers and poets, Verlaine, Hugo, Lamartine, have inspired composers since the beginning of the 19th century.

K und K Wien:  The program contains pieces by Charles Gounod, Gabriel Fauré, Ernest Chausson, Camille St. Saens and Henri Duparc? 
Can you tell us more about the pieces you selected for this program?

Most of the musical pieces selected are great hits in the French music repertoire, particularly Gounod's "Le Soir", St. Saens’ "El Desdichado" and "La Danse macabre", Fauré's "Après un rêve", very well known as opera arias, in which the piano part has been written for a piano soloist.

K und K Wien: Your program is titled with "Par une belle nuit“, the title of a song by Gounod. What can you tell us about the lyrics of the compositions? What role do they play for you?

"Par une belle nuit" (melody of Gounod) seemed to us to correspond to the universe of our duet melodies, by its poetic character, and can evoke the atmosphere of "Liederabend".

Program Link
Website Delphine Haidan
Website Jérôme Varnier
Booking Link

For further information about "Par une belle nuit" please contact:
K und K Wien
Mail: office@kundkwien.com, T: +43 1 4063365

Montag, 12. März 2018

ORFEO ALS REISE DURCH DIE KULTUREN

Annette Lubosch ist eine künstlerische Grenzgängerin, die in der Oper genauso zu Hause ist wie im Musical oder im Sprechtheater. Darüber hinaus arbeitet die Münchner Künstlerin auch als Gesangspädagogin, Autorin und Regisseurin.  

Annette Lubosch

Im Münchner Hofspielhaus präsentiert Annette Lubosch demnächst einen „Orfeo“ in Form einer „transkulturellen Oper“, eine moderne Produktion welche sich in ihrer Regie um Liebe und Tod, aber auch um Flucht und religiösen Wahn dreht.
Eine Collage aus Vertonungen und Texten schafft die Grundlage für die Neuinterpretation des Orfeo-Stoffes. Dazu gehören Stücke aus den Bearbeitungen von Claudio Monteverdi, Carl Heinrich Graun, Christoph Willibald Gluck und Joseph Haydn sowie Passagen aus Büchern von Khalil Gibran,  Abu Temmam und Orhan Pamuk.
Auf der Bühne agieren Deutsche und Schweizer Künstler neben Darstellern aus dem Irak und Syrien.

K und K Wien bat Annette Lubosch während der Endproben zum Interview:

K und K Wien: Die Produktion wird als "transkulturelle Oper" bezeichnet, wie definierst Du diesen Begriff und worin liegen die besonderen Herausforderungen, wenn man sich an ein solches Projekt wagt?

Annette Lubosch: Transkulturell meint in diesem Falle, ein Kulturprojekt, das eine Reise quer durch die Kulturen anstrebt. Die besondere Herausforderung hierbei ist es, arabische Musik geschickt mit der europäischen Opernliteratur zu verbinden. So gibt es in unserer Geschichte zum Beispiel einen arabischen Rap, der von Glucks Arie der Eurydike abgelöst wird.


K und K Wien: Wie kam es zu dieser besonderen Auswahl an Komponisten und Autoren und wie gelingt die Umsetzung solch verschiedener Stile?

Annette Lubosch: Ich wollte die Geschichte einer jungen Frau erzählen, die, überfordert vom westlichen System, beschließt sich dem IS anzuschließen. Letztendlich verfällt sie einem religiösen Wahn. Mir geht es darum, auf Dogmen aufmerksam zu machen und zu differenzieren. Und da kommt der Prophet von Kalil Gibran ins Spiel. Ein weiser Mann wartet auf den Tod und erzählt von der Liebe.
Da Glucks Orphée bereits mit Eurydikes Tod beginnt, war ich auf der Suche nach der passenden Literatur für meine Geschichte und bin über viele wunderbare Vertonungen gestolpert. Darunter eben auch die von Carl Heinrich Graun. Die arabischen Lieder haben die syrischen und irakischen Künstler ausgewählt, nachdem sie das Buch gelesen hatten.

K und K Wien: Welche Fragen haben Dich im Vorfeld zu den Proben beschäftigt? Was inspirierte Dich? Wie hast Du Dich auf diese Produktion vorbereitet?

Annette Lubosch: Die größte Frage war, was treibt junge Menschen, die in Freiheit und Frieden leben an, freiwillig in den Krieg zu gehen. Insbesondere was treibt junge Frauen an?
Ich habe sehr viel Literatur zu diesem Thema gelesen und auch einige Filme gesehen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, so zum Beispiel Frauen für den Dschihad, oder Brüder.


Annete Lubosch bei der Probenarbeit

K und K Wien: Was möchten Du und Deine Kollegen mit Eurem „Orfeo“ bewirken? Was wünscht Du Dir für die Beteiligten dieser Produktion und auch für Euer Publikum?

Annette Lubosch: Stets ist es so, dass die Liebe ihre eigene Tiefe nicht kennt, bis zur Stunde der Trennung. Das ist der zentrale Satz unserer Geschichte. Dennoch ist es keine reine Liebesgeschichte. Wo religiöser Wahn regiert, ist kein Verständnis mehr von Reflexion und nur wer aus freien Stücken liebt, liebt wahrhaftig.

K und K Wien: Wie schaffst Du den Spagat von der Darstellerin zur Regisseurin, die zudem auch noch in die Entwicklung von Produktionen und Texten involviert ist?

Annette Lubosch: Es gibt zwei Modi operandi: Zum einen als Sängerin und Schauspielerin. Da sind der Körper und die Intuition meine wichtigstes Arbeitsutensilien. Ich bin sehr froh, in einen Austausch mit dem Regisseur und dem Dirigenten zu gehen und dass ich mich dort „nur" mit meiner mir zugeteilten Aufgabe/Rolle beschäftigen kann und ich ein Teil eines Gemäldes bin.
Als Regisseurin und Autorin hingegen sind es der Geist und die Intuition. Es fordert mich genauer hinzublicken, alles durchdringen zu müssen, alle Rollen zu sein. Ich mag es sehr, unterschiedliche Menschen in ihren Stärken zu fördern und ein Bild von aussen zu erschaffen.


Weiterführende Links:

Website Hofspielhaus
Website Annette Lubosch


 Künstlerbiographie Annette Lubosch:

Die deutsche Mezzosopranistin begann ihr Studium im Fach Musical am renommierten Tanz- und Gesangstudio Theater an der Wien. Nach der Bühnenreifeprüfung folgte ein Studium für Operngesang an der Hochschule für Musik und Theater in München. Engagements führten die Künstlerin zu den Bregenzer Festspielen, Tiroler Festspielen Erl, Bad Hersfelder Festspielen, an das Radialsystem Berlin, zu den Operadagen Rotterdam, die Münchner Biennale, das Bayerische Staatsschauspiel, die Theater Augsburg, Lemberg, Chur, Graz und Görlitz, an die Philharmonie Berlin, das Konzerthaus Karlsruhe und die Philharmonie München. Der ausdrucksstarken Mezzosopranistin gelingt der Spagat zwischen klassischer Musik, Chanson, Revue, Schauspiel und Kabarett wie kaum einer anderen, so ist sie neben ihrem Opernschaffen auch immer wieder in Theater- und Musicalproduktionen zu erleben. Zu Annette Luboschs Engagements dieser Saison zählen ein Liederabend in Jerusalem, der Prinz Orlofsky in einer Fledermaus-Produktion des Landestheaters Bayern sowie ihre Rückkehr zu den Bad Hersfelder Festspielen als Marion Thayer in der Wiederaufnahme der gefeierten Produktion des Musicals Titanic.

Dienstag, 28. November 2017

CÉLIMÈNE DAUDET - A PIANIST WITH A MISSION


French-Haïtian pianist Célimène Daudet has been celebrated by press and audience for her “seductive, delicate and burning lyricism”. As a guest of reputed venues, Célimène Daudet appeares at the Carnegie Hall, Théâtre du Châtelet, Opera de Lyon, Festival de La Roque-d’Anthéron, MC2 Grenoble and at the Abu Dhabi theatre. She founded Haïti’s first piano festival and commits herself with passion to exceptional projects and to promoting new talents.


Célimène Daudet's much-anticipated Austrian debut takes place at the Vienna Konzerthaus in December 2017 where she will perform in the cycle „Music and Poetry“. K und K Wien asked the outstanding artist for an interview. 


Over the last months you have worked intensely on your Haïti Piano Project. Can you please explain to us what this special project is about and which goals you have recently achieved?

I am of Haitian descent and because of that I was always keen to come back to Haïti to ´do something´ there. Quite naturally in my case it was clear that music would be the means for me to reconnect with my haïtian roots and to contribute to the artistic life in Haïti, with the idea to create an unifying event. This way, the idea to create the first piano festival in Haïti was born. To realise this, it was first of all necessary to find funds in order to buy a good concert piano. The association Raconte-moi un Piano of which I am the director has worked for more than a year to raise the necessary funds, notably with the help of a crowdfunding-project.There has been an excellent show of generosity from many people around the world and we were able to buy the piano. Then we had to work on the development of the Festival which has only just taken place at Haïti. It was a wonderful moment of meeting and sharing with a big audience that attended each concert (all free) and also with the haïtian artists with whom we shared the stage. Also workshops for haïtian children were organized. I have found this to be an extraordinary experience and full of emotions. The aim is to continue the project and prepare the second edition of the Festival in 2018!     


You have a busy concert schedule performing at distinguished concert halls around the world. But you have also played for children at refugee camps and many times for people who do not have regular access to the concert world. How do you see the role of music in regions of crisis?  

I see my profession also as a mission: one of giving access to music and beauty to everyone, without any limit. The power of music is very strong. It comforts, unites and exceeds social, financial or religious problems. Music goes to the heart of everyone and remains a space of freedom. Music also connects with the better part of ourselves, allows the human being to link with his emotions and to what we deeply are and to what unites us all.


Your CDs of Bach’s "Art of the Fuge“ and „A Tribute to Bach“ gained enthusiastic reviews in the French and international media. We heard that you were recording in Vienna last year. Can you tell us more about this new CD release?

I have recorded my last disc a few months ago in the Yamaha-Hall in Vienna. It concerns a program around préludes by Debussy and préludes by Messiaen, which I wanted to combine with each other as the influence of Debussy on the young Messiaen is very evident in these works. What is also remarkable is that the notion of colour and sound space allows to create a rich and graphic sound universe in which the listener can travel. This disc appears on 23 January 2018 on the french label NoMadMusic.    

Célimène Daudet recording in Vienna

Your Viennese concert debut will take place on December 6th at the Vienna Konzerthaus. Who are the composers we are about to discover and why did you chose them? 

I have chosen to highlight the french composer Mel Bonis, whose pieces are extremely touching and poetic. I am happy to be able to have them (re-)discovered by the Viennese public. The poetry that is present in certain pieces moves me deeply, which is why I have also chosen the sublime "Bénédiction de Dieu dans la solitude" by Fransz Liszt, part of his cycle Harmonies poétiques et religieuses. And finally I have recently fallen in love with a piece by Ernest Bloch, ´In the Night - A love poem for piano´, which echoes the lisztian universe. Once more a poem, full of sensuality, mystery and passion.

You will share the stage with the Austrian actor Michael Dangl who will read a text by Tania Blixen. What importance has literature to you and how do you see it in relation to music?
I am all the more happy about this project as literature is my second passion. Reading is also what feeds my imagination as an artist. I love to combine words and music and there is also a true music in words as there is a poetry in sounds.
It just so happens that during my Festival in Haïti I presented a concert mingling music and poetry with the participation of the haïtian poet Beonard Monteau on the stage. I feel this concert therefore as a continuation and I can´t wait to work with Michael Dangl!  





Further links:

Website Célimène Daudet
The Haïti Piano Project
Agency Website
Music videos of Célimène Daudet
Concert at the Vienna Konzerthaus


Vienna, November 28th 2017

Donnerstag, 21. September 2017

DIE MOSAÏQUE KONZERTSERIEN

Alles begann vor vier Jahren mit Deirdre Brenner und Chanda VanderHart, zwei namhaften Pianistinnen, die es sich in einer Kulturstadt wie Wien zur Aufgabe machten, einen Konzertzyklus der besonderen Art ins Leben zu rufen. Sie verbanden damit ihre Leidenschaft zu klassischer Musik und der Welt des Kunstlieds mit anderen, neuen Genres und Kunstsparten. Dies war die Geburtsstunde von Mosaïque.

Es geht im weitesten Sinne um Storytelling. Jeder Mosaïque - Abend ist einem speziellen Thema gewidmet und richtet sich an ein offenes und neugieriges Publikum. Ihr „Zuhause“ fanden die beiden kreativen Mosaïque-Gründerinnen im Brick 5, einem außergewöhnlichen Schauplatz der Wiener Kulturszene im 15. Bezirk. Die Konzertreihe spricht sowohl regelmäßige als auch nicht-regelmäßige Konzertgänger an und geht vor allem auf die Bedürfnisse junger Profis mit unterschiedlichen kulturellen Backgrounds ein.


Programmpräsentation in der Artlounge des Café Korb (c) A. Grilc


Als ein „Juwel der Wiener Musikszene“ titulierte der Musikwissenschaftler Prof. Morten Solvik die junge künstlerische Initiative bei der diesjährigen Programmpräsentation in der Artlounge des Wiener Café Korb. Aufgrund des immens positiven Zuspruchs stellt sich MOSAÏQUE ab diesem Herbst neuen Herausforderungen. Die Saison 2017/18 bringt zahlreiche neue Kooperationen, Schauplätze und Veranstaltungspartner und präsentiert legendäre Diven, mexikanische Feste, spektakuläre Ausflüge ins Casino und ins Varieté. Erstmals steht mit Janáceks Tagebuch eines Verschollenen auch eine szenische Opernaufführung auf dem Spielplan.
Die diesjährige Saison stellt eine neue Dimension für unsere Konzertreihe dar. Wir möchten mit unserem vielfältigen Programm zukünftig ein noch größeres und noch bunteres Publikum ansprechen“ bekräftigten die Direktorinnen des Zyklus, Deirdre Brenner und Chanda VanderHart. „Als Künstler erwarten wir bei einem Mosaïque Konzert, dass nicht nur auf der Bühne Außerordentliches geschieht, sondern auch das Publikum außerordentlich ist“, ergänzten die Musiker des jungen, jedoch bereits international gefragten Trio KlaViS, die unter dem Titel „Extraordinary“ einen eigenen Abend gestalten werden.   


Trio KlaViS während der Mosaïque Programmpräsentation (c) A. Grilc


Bei der Konzertserie Mosaïque handelt es sich zweifelsfrei um ein wahres „Herzensprojekt“, an welchem ab nun jeder die Chance haben soll teilzunehmen. Aber auch wenn sich der ursprüngliche „Geheimtipp“ Mosaïque ab nun einer größeren Öffentlichkeit stellt, soll das besondere Ambiente der Serie bewahrt werden. „Es ist als würde man inmitten eines  Wohnzimmers einer großen vielseitig talentierten und neugierigen Familie auftreten“ sagte die Mezzosopranistin Meredith Nicollai.  


Meredith Nicollai während ihrer Performance von "Stripsody" (c) A. Grilc

Wie bereits in der Vergangenheit kommt es auch zukünftig, passend zum jeweiligen Thema, zu  Kooperationen mit regionalen Unternehmen und kleinen Handwerksmanufakturen.
Mosaïque bietet Erfahrungen für alle Sinne, so darf auch die kulinarische Komponente während des Abends nicht fehlen. Dafür sorgt die Bar des Brick 5, die im stilvollen Ambiente, das Thema des jeweiligen Programms fortführt und gleichzeitig Treffpunkt für Künstler und Publikum ist. Ein Mosaïque-Abend endet für seine Besucher selten mit dem Schlussapplaus, sondern lädt auch danach zu neuen Begegnungen und Entdeckungen ein.


Chanda VanderHart und Deirdre Brenner (c) D. Lee

Die Vision der neuen von weiblicher Hand geleiteten Konzertserie ist mehr, als „nur“ hohen musikalischem Ansprüchen gerecht zu werden, es geht um ein mutiges kreatives Zusammenspiel, darum ein Mosaïque vieler verschiedener Elemente entstehen zu lassen, die dieser neuen Veranstaltungsreihe ihren unvergleichlichen Charakter und ihre auffallend lebendige Atmosphäre verleihen. 

Den Auftakt bildet am 10. Oktober das Eröffnungsprogramm “Concert for Cathy“, eine Hommage an die legendäre Mezzosopranistin, Komponistin und Muse Cathy Berberian. Künstler jenes Abends sind Monika Ballwein, Sängerin und Vocal Coach von Conchita Wurst, die Avantgarde-Vokalistin Meredith Nicollai sowie Lena Fankhauser (Viola), Anne Harvey-Nagl (Violine), Annette Mittendorfer (Violine), Erich Oskar Huetter (Cello) und Chanda VanderHart (Klavier). Gespielt werden Werke von Berio über Berberian bis zu den Beatles. 



Weiterführende Links: 


Impressionen vergangener Konzerte:


(c) S. Panfili
(c) A. Grilc
(c) A. Grilc



Katharina Böhler und Petra R. Klose, Wien, September 2017

Freitag, 1. September 2017

DER ACHTE TAG

Es war der bis dahin aufregendste Sommer meines Lebens. Die Welt war auf einmal dort zu Gast, wo ich lebte. All die exzentrischen Persönlichkeiten, die nach Bregenz angereist waren, die verschiedenen Sprachen, das Orchester, die gigantische Seebühne, alles war spannend und neu.
Es war der Sommer des Fidelio, alles drehte sich thematisch um die Freiheit. Auf einmal entdeckte ich, dass uns Werke alter Meister tatsächlich noch etwas zu erzählen haben.
Für mich als Vorarlberger Teenager eine Offenbarung, die Erweckung eines vermeintlich künstlerischen Kampfgeists, der mich glauben ließ, ab nun gegen alle möglichen realen und imaginären Vorgaben rebellieren zu müssen.

Mein erster Job bei den Bregenzer Festspielen, war der eines „Rara-Girls“. Dies klingt weitaus verruchter als es im Endeffekt war. Meine Kolleginnen und ich hatten in einem glitzernden Chearleaderoutfit  um den Darsteller des „Ministers“ zu tanzen. Geprobt wurde soviel, dass ich die Originalchoreographie selbst heute noch jederzeit, selbst aus dem Schlaf gerissen, ad hoc zu den Finalakkorden von „Heil sei dem Tag“ mittanzen könnte.
Ich wurde von einer Begeisterung für die Welt der Oper erfasst, die mich nie wieder losließ. Gleichzeitig entstanden in jenem Sommer Freundschaften, die bis in die Gegenwart andauern. 

Und dann kam er: der Morgen nach der letzten Aufführung. Er stellte zu jenem Zeitpunkt die absolute Katastrophe für mich dar. Mit den Abreisen der Künstler und dem technischen Abbau begann die sofortige Auflösung jener Welt, die mich verzaubert hatte. Wenn ich etwas wahrhaftig nicht wollte, dann war es jetzt zurück in die Schule zu müssen. Zurück in ein Korsett aus Routine und unangenehmen Pflichten, in einen Alltag, der recht wenige Überraschungen zu bieten hat.

Ich fühlte mich gefrotzelt beim Anblick des strahlend blauen Himmels. Da hatte man unzählige Proben und verregnete Vorstellungen durchgefroren und dann, wenn ein trostloser Dauerregen der eigenen Stimmung deutlich besser entsprochen hätte, fand sich nicht die Spur eines Wölkchens am Firmament.

Das Gefühlskarussel dreht sich seither jeden Sommer auf dieselbe Weise. Alle Jahre wieder habe ich das Gefühl, nach einem fulminanten Schlussapplaus, als einzige in einem riesigen Publikumssaal sitzen zu bleiben. Nur ein Depp würde jetzt „Zugabe!“ rufen, und dennoch scheine ich durch eine Art innerlichen Sitzstreik genau dies erwirken zu wollen. Es folgt ein zum Scheitern verurteilter Versuch, einen Montag in den achten Tag der vergangenen Woche zu verwandeln, quasi einen Satz nach dem Finalsatz zu komponieren. Nur gelangt dieser nie zur Aufführung. 




„Es sind doch nur neun Monate, dann geht der ganze Zirkus schon wieder los“, tröstete mich einst ein leicht entnervter Kollege, der meine Sentimentalität spürbar nicht nachvollziehen konnte. Er sah keinen Grund zur Wehmut, was das Saisonende betraf, hatte er doch wie sich später herausstellte, große Reisepläne. Im November erhielt ich eine Postkarte aus Nepal mit den Worten: „Nur noch sieben.“ Mein persönlicher Beweis, dass es auch anderen zumindest manchmal genauso so geht wie mir.

Mein Eintritt in die Berufswelt war zugegebenermaßen nicht in jeder Hinsicht so berauschend. Ich kann mich an meine erste Hospitanz erinnern, in welcher ich nächtelang in nicht enden wollenden Beleuchtungsproben im strömenden Regen mit einem Fahrrad samt Sarg-Anhänger um die Seebühne radelte, da ich den Leichenbestatter in Gershwins "Porgy und Bess" mimen musste. Der Sarg wog gefühlte Tonnen und mir ist bis heute nicht klar, warum für diese eigentlich recht kurze Szene, stundenlang Scheinwerfer eingestellt und programmiert werden mussten.
Es war derselbe Sommer, in dem mich eine später als schizophren diagnostizierte amerikanische Mezzosopranistin eine beachtlich hohe Treppe hinunter stieß, da sich die Arme - warum auch immer - eingebildet hatte, ich wäre eine Undercover-Agentin des CIA, die es auf sie abgesehen hätte. Seltsamerweise nimmt man solche Geschehnisse im Laufe eines langen Fespielsommers schon fast als normal hin. Ich war dennoch höchst erleichtert, als ich den Namen der besagten Dame im Folgejahr nicht mehr auf der Chorliste fand.

Und doch manifestierte sich während dieses Sommers irgendetwas, das mich dazu bewegte, weiter in diesem Feld arbeiten zu wollen. Während meines gesamten Studiums blieb ich den Festspielen treu, kam jedes Jahr zurück, um als Regieassistentin und nach Beendigung meines Studiums im Künstlerischen Betriebsbüro zu arbeiten.

Und auch heute als Musikmanagerin, treibt es mich im Sommer nach wie vor mit Begeisterung von Festival zu Festival. Natürlich könnte man einfach ein paar Wochen am Strand liegen, doch was gibt es Schöneres als nach einem beflügelnden Konzert in einer romanischen Kathedrale unter alten Platanen eines französischen Marktplatzes zu sitzen und mit Freunden bis spät in die Nacht zu essen, trinken und zu lachen. Oder in Glyndebourne zwischen Pimm’s und Picknick, unbekannte Cavalli-Opern zu entdecken? Nur ein Herz aus Stein könnte sich bei einem wildromantischen Sonnenuntergang nicht, zumindest für ein paar Stunden, in einen Rodolfo verlieben oder einer Carmen, Floria Tosca oder Poppea verfallen.

Der Zauber wirkt nich nur verlässlich bei den großen Klassikern der Opernliteratur. Vor wenigen Tagen schmolz ich dahin, als unter dem Grafenegger Sternenhimmel Alban Bergs Gedichtvertonung erklang:
Nun ziehen Tage über die Welt,
Gesandt aus blauer Ewigkeit,
Im Sommerwind verweht die Zeit.

Es liegt wohl am Sommer, dass sich alles intensiver anfühlt, auch die Musik.
Mir scheint, wir geben uns mit mehr Wagemut jenen musikalisch fantastischen Welten hin und nicht nur diese scheinen mit einem Mal lebendiger, auch wir selbst.

Es ist nicht so, dass ich mich nicht auf den Herbst freuen würde, dass ich nicht gespannt wäre auf die ersten Premieren der Saison, darauf in einen vertrauten Rhythmus zurück zu kehren.

Aber dann, spätestens beim Durchblättern und Einordnen der verschiedenen Festivalprogrammhefte in mein Wiener Bücherregal, da kommt er, der unausweichliche Moment, in dem ich mir eingestehe: Manche Dinge ändern sich auch mit Ende dreißig nicht. Ich will noch immer nicht zurück in die Schule. 





Petra R. Klose, Wien, September 2017




(c) M. Aipperspach
Petra R. Klose studierte Theaterwissenschaft und Germanistik, daneben Ausbildung in Ballett und Harfe. Sie arbeitete in den Bereichen Dramaturgie, Regie und Produktion für die Wiener Festwochen, Bregenzer Festspiele, Wiener Konzerthaus, Burgtheater und die Opéra de Lyon. Gründerin der Agentur K und K Wien, seither Zusammenarbeit mit Veranstaltern wie dem Festival Aix-en-Provence, Glyndebourne Festival, Mozartwoche Salzburg, Theater an der Wien, Bolschoi Theater, Teatro Real, Staatsoper Berlin, Musikverein und der Mailänder Scala.

Mittwoch, 24. Mai 2017

GLYNDEBOURNE FESTIVAL - eine Ansage gegen die Verdrießlichkeit

Von der Liebe zur Oper, könnte ein schönes Motto sein, oder im Falle von Glyndebourne noch treffender: von der Liebe zu einem ganzen Opernhaus, mehr noch, einem ganzen internationalen Opernfestival.

Glyndebourne Festival wurde 1934 von John Christie und der Opernsängerin Audrey Mildmay auf dem Anwesen der Christie Familie in Sussex gegründet.

Bis heute nimmt Glyndebourne unter den weltweiten Opernfestspielen eine Sonderstellung ein, denn welch anderes Festival schafft es wahrhaft, seine Besucher in eine andere, romantischere Welt zu entrücken. Klingt weit hergeholt? Dann haben Sie Glyndebourne noch nicht erlebt.
In einer berauschen schönen Naturkulisse, zwischen weidenden Schafen, inmitten duftend malerischer Rosengärten, nimmt man sich noch wahrhaftig Zeit für die Musik. Zeit zum Entdecken und Wiederentdecken eines Werkes, Zeit zum profunden Erarbeiten eines Stücks und Zeit, es in vollen Maßen unter Mitwirkung internationaler Spitzenmusiker zu genießen. So viel Zeit, dass man fast meinen könnte, hier wäre sie stehen geblieben, wenn man den grünen Rasen Glyndebournes betritt. Very old fashioned möge man meinen, wenn man all die Bilder der Champagner sippenden in Abendkleid und Smoking gekleideten Gäste auf ihren Picknickdecken sieht.
Dabei sind die Inszenierungen zumeist modern, sich schonungslos aktuellen Themen und der konkreten Alltagsrealität stellend. Auch scheut sich die Festivalleitung nicht, immer wieder neue Werke in Auftrag zu geben. Vielleicht ist es genau dieser Kontrast, die entrückte Schäferidylle der Landschaft und deren friedvolle Ruhe, die eine solch intensive Auseinandersetzung und Reflexion zulässt.

  
Vor der Vorstellung

Da Gyndebourne so etwas wie ein Märchen ist, waren die Grundsteine des Festivals tatsächlich die Liebe und eine gemeinsame Passion für die Oper, nämlich jene der Festivalgründer John Christie und Audrey Mildmay. Letztere war eine britisch kanadische Sopranistin, von deren Stimme und Charme der Musikliebhaber John Christie so angetan war, dass er sich bei deren ersten Begegnung während einer privat organisierten Aufführung von Mozarts Entführung aus dem Serail in Glyndebourne Hals über Kopf in sie verliebte. Kurz nach deren Heirat begann er mit der Verwirklichung seines Traums, dem Bau eines Opernhauses. Eine Anekdote besagt, Audrey Mildmay hätte damals zu ihrem Mann gesagt: "Wenn Du schon vor hast, Dein ganzes Geld dafür hinauszuwerfen, dann mach es bitte ordentlich".
Die Konstruktion jenes Hauses, das für Jahrzehnte sowohl Intimität als auch technisch hohe Standards bieten sollte, dauerte einige Jahre und so fiel die Fertigstellung in jene düster stürmische Zeit, in der Europa auf den zweiten Weltkrieg zusteuerte. Zwei prägende Persönlichkeiten, geflüchtet aus Nazi Deutschland, eröffneten die erste Saison im neuen Opernhaus, der Dirigent Fritz Busch und  der Regisseur Carl Ebert.

Die Gründer Audrey Mildmay und John Christie

Der nächst gelegene Ort, in welchem auch die meisten der Künstler untergebracht sind, ist das kleine Städtchen Lewes, eigentlich nicht viel mehr als eine kleine Geschäftsstraße, eine Burg, ein paar Pubs, Cottages und ein Bahnhof. An jenem kommen nun seit über 80 Jahren während der Festivalsaison, Menschen in Abendkleidung von Londons Victoria Station an und lassen sich samt ihrer oft beträchtlichen Picknickausstattung von einem Sammelbus nach Glyndebourne fahren. Jenen, die ein Taxi nach Glyndebourne bevorzugen, ist zu empfehlen, auch die Rückfahrt bereits im Vorfeld zu buchen, denn ab den späteren Abendstunden, gibt es keine Garantie, dass in Lewes noch ein Telefon abgehoben wird, zumindest bei keiner der lokalen Taxigessellschaften. Die Uhren an jenem Ort ticken eben anders.

1994 wurde das neue Opernhaus eröffnet. Moderner ausgestattet und größer als in seinen Anfangsjahren, hat sich der Veranstaltungsort dennoch sein einzigartiges Flair als stilvolle Manege der hohen Kunst und Lebenslust bewahrt.

Nicht nur auf, sondern auch hinter der Bühne scheinen sich in Glyndebourne manche Geschichten zu wiederholen, so auch im Privatleben der Familie Christie. Diesmal war es nicht Mozart sondern Händel, der eine international gefeierte Sopranistin nach Glyndebourne lockte. Die australische Sängerin Danielle de Niese und Gus Christie, Enkel der Festivalgründer und Chairman des heutigen Festivals, lernten sich während einer Produktion von Giulio Cesare kennen, in welcher Danielle de Niese in der Partie der Cleopatra  zu erleben war. Inzwischen sind die beiden verheiratet und haben einen Sohn. Wie einst Audrey Mildmay brilliert die Sopranistin nicht nur auf der Bühne, sondern erfüllt neben ihrem Mann auch die Rolle der Gastgeberin, was in einem so persönlich geführten Haus und Ambiente wie Glyndebourne eine wichtige Rolle spielt. 

Glyndebourne Estate

Selbst jene die sich vor ihrem ersten Besuch skeptisch zeigen und befürchten, mit zuviel steifer British Upperclass konfrontiert zu werden, müssen sich am Ende wohl eingestehen: Dieser Ort ist einfach zu schön, die Qualität und der Tiefgang der Produktionen zu beeindruckend, um irgendeinen Grund zu ersinnen, der es einem ermöglichen würde, dieses Märchen, nur 50 Meilen südlich des hektischen Londoner Zentrums, nicht aus vollem Herzen zu genießen.

Glyndebourne ist eine künstlerische Ansage gegen die Verdrießlichkeit, die Schnelllebigkeit und die Resignation. Denn dort wo aus Leidenschaft einst zwischen Schafsweiden ein neues Zuhause für die Kunst erschaffen wurde, fällt es einem leicht, das Leben zu feiern und dabei zu glauben, dass die Oper uns nach wie vor berühren, bewegen und Mut schenken kann, auch außerhalb dieses unvergleichlichen Opernmärchens.

Links:



P. R. Klose, Lewes, Mai 2017