Freitag, 3. August 2012

EINE VERNEIGUNG VOR MIHAELA URSULEASA


Sie war kein Mensch großer Förmlichkeiten. So wie ihr Spiel sämtliche Grenzen sprengte, schien es auch für ihre Herzlichkeit und Spontanität kein Gerüst zu geben, das sie zurück oder in Zaum hielt.
Gleichzeitig spürte man ihren starken Willen und eine eiserne Disziplin, die Dinge so zu vollbringen, wie sie sein sollten, wie sie erklingen sollten.
Wer je ein Konzert dieser Pianistin erlebt hat, kann das Gefühl nachvollziehen, “spielerisch“ von etwas gefangen zu werden.




Es gibt jene Sätze, die hier, in einem Nachruf, ausgesprochen gehören – und in ihrem Fall ist es wahrhaftig Pflicht: Sie war eine große Künstlerin, gefeierte Solistin, Gewinnerin renommierter Preise wie dem Clara-Haskil-Wettbewerb, ein ursprüngliches Wunderkind, das sich in den Olymp der Musikwelt gespielt hatte. Dennoch, diese Worte erscheinen seltsam, nicht aussagekräftig, wenn es sich um Mihaela Ursuleasa handelt. 

Ich kann nicht behaupten, sie gut gekannt zu haben. Unser persönliches Kennenlernen war flüchtig. Doch ich denke, jeder, der ihr begegnet ist, weiß von der Intensität, welche eine Begegnung mit dieser Künstlerin zwangsläufig mit sich brachte.
Sie kam vergangene Saison nach Vorarlberg, wo für die Osterfeiertage Franz Liszts Erstes Klavierkonzert mit dem Symphonieorchester Vorarlberg  geplant war. Sie, die keine Minute zum Proben versäumen wollte, war zu spät, denn während ihrer Anreise von Wien nach Bregenz geschah es, dass sie aus dem Zug ausstieg, um sich kurz die Beine zu vertreten und eine Zigarette zu rauchen und der Zug zu ihrer Überraschung augenblicklich weiterfuhr, samt ihrem Gepäck und ihrer Handtasche mit Mobiltelefon und Portemonnaie.
Sie spielte eine mitreißende öffentliche Generalprobe. Am Abend des Konzerts jedoch war sie, von Schwäche und Übelkeit überrumpelt, gezwungen, kurzfristig abzusagen und ins Hotel zu fahren, um für die kommenden Tage das Bett zu hüten. Einer jener Momente, in welchen der Körper plötzlich und bestimmt "nein" sagt und der stärkste Wille machtlos erscheint, denn sie wollte spielen, sie musste spielen. Und man musste sie hören. Dies war im April 2011. Zahlreiche Sternstunden, solistisch, mit großen Orchestern, Dirigenten und Kammermusikern, bei welchen sie ihren musikalischen Partnern und dem Publikum ihre Lebendigkeit und Virtuosität schenkte, gingen diesem Moment voraus und folgten danach. 

Am 2. August 2012 ist Mihaela Ursuleasa verstorben. Ihre künstlerischen Triumphe, im Kleinen wie im Großen, bleiben unvergessen. Und so verneigen wir uns vor ihr, die keine Förmlichkeiten pflegte und vielleicht darauf mit ihrem lauten herzlichen Lachen reagieren würde. Eine tiefe dankbare Verneigung vor der Pianistin Mihaela Ursuleasa.  


Petra R. Klose, Prades August 2012