Ankunft am Bahnhof Bad Ems, mit dem Zug zwei Fahrtstunden von Frankfurt entfernt, vorbei an malerischen Schlössern, Weinbergen und den Strömen des Rheins, der Mosel und der Lahn.
Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, ein Schild weist in Richtung „City“, eine goldene Platte verweist auf den ehemaligen „Fürstenempfangssaal“. Die Bahnhofshalle des sogenannten Fürstenbahnhofs gilt trotz ihres großen Namens als die kleinste im Netz der Deutschen Bahn. Ihre Entstehung verdankt sie der hohen Bedeutung von Bad Ems als Kurbad in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Kurstadt Bad Ems |
Weitere Tafeln zieren die Straßen der Häuser in unmittelbarer Bahnhofsnähe. Hier wohnte Dostojeweski, dort Paganini, an jener Stelle Wagner, in der Nähe von Franz Liszt - und das berühmte Grand Hotel neben dem imperialen Bad beherbergte vom russischen Zaren über den Deutschen Kaiser eine nicht enden wollende Zahl von Prominenten diverser Jahrzehnte.
Ein Künstler dessen Bezug zur Kurstadt Bad Ems in den vergangenen Jahren besondere Aufmerksamkeit erfährt, ist Jacques Offenbach. Er wirkte hier von 1858 bis 1870 als Theaterleiter, Kapellmeister, Regisseur und Komponist im noch heute erhaltenen Kurtheater der Stadt.
Jacques Offenbach Promenade an der Lahn |
Die ansässige Jacques Offenbach Gesellschaft bemüht sich um die Pflege und wissenschaftliche Aufarbeitung der Werke des Komponisten und setzt sich mit großem Einsatz auch für die Aufführung heute vergessener Meisterwerke ein. Ein Werk, das zweifellos zu dieser Gattung gehört, ist „Les Bergers“, das am 10. September 2016 in einer Inszenierung der aus Bad Ems stammenden international tätigen Regisseurin Annegret Ritzel zu seiner höchst erfolgreichen deutschen Erstaufführung gelangte. Wir sprachen mit ihr über die Arbeit am wiederentdeckten Stück und ihrer Beziehung zur Kulturstadt Bad Ems:
Wie kam es zu der Produktion des unbekannten Werkes „Die Schäfer/Les Bergers“?
Annegret Ritzel: Das Ziel der Offenbach Gesellschaft mit Sitz in Bad Ems ist, möglichst viele unbekannte Werke von ihm aufzuführen. Der Leiter der Gesellschaft, Dr. Ralph Patocka, hat mich auf dieses Stück hingewiesen.
Annegret Ritzel vor der Premiere |
Was macht „Die Schäfer“ in Ihren Augen zu einem Meisterwerk? Wodurch zeichnet sich das Stück aus?
Annegret Ritzel: Die Wahl des Stoffes, nämlich die Betrachtung der Liebe in verschiedenen Jahrhunderten, also von der idealen Liebe im Schäfer-Arkadien Griechenlands über die Dekadenz zur Zeit von Ludwig dem XV. bis hin zum Abstieg der Liebe als reinem Geldgeschäft in der Neuzeit, ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in der Musikgeschichte. Zudem hat Offenbach hier in drei Stilen komponiert: Der 1. Akt ist der Stil der Opera seria, der 2. Akt der der Opera comique und der 3. Akt der opera Bouffe. Offenbachs Musik hat über weite Strecken normativen Charakter. Das heißt, die Musik gibt die Szene vor. Das ist auch so bei Mozart. Man muss als Regisseur nur ganz einfach der Musik folgen und schon ist eine Szene da. Man kann sich richtiggehend auf ihn verlassen.
Das ist ganz anders bei Verdi und Bellini/Donizetti. Wagner ist mal so, mal so.
Nataliia Ulasevych |
Wie gestalteten sich die Proben zwischen Wien und Bad Ems?
Annegret Ritzel: Wir haben mit den Studenten der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien gearbeitet und nur die Endproben in Bad Ems gemacht.
Dominik Söns und Melanie Wurzer |
Sie selbst stammen aus Bad Ems. Wie hat sich die Stadt in Ihren Augen im Laufe der Zeit entwickelt?
Annegret Ritzel: Vom pompösen Kaiserbad anno dazumal zu einer kleinen, hübschen Urlauberstadt, in der die Urlauber fehlen. Wir versuchen mit Kultur die Stadt aufzuwerten, was aber sehr schwer ist.
Annegret Ritzel während einer Probe in Bad Ems |
Annegret Ritzel: Es steht ja zur Debatte, dass Bad Ems Kulturhauptstadt werden soll. Ich glaube noch nicht so recht daran, aber das würde natürlich der Stadt großen Auftrieb verleihen, was sie eigentlich verdient hätte.
Finale "Die Schäfer" |
Präsentiert wurde die Produktion im Rahmen des Festivals-gegen-den-Strom, an welchem Annegret Ritzel seit einigen Jahren beteiligt ist. Das Festival, das seinen Titel durch die Legende des Heiligen Lubentius fand, dessen Leichnam von der Mosel aus auf dem Wasser lahnaufwärts - gegen den Strom - bis nach Dietkirchen gelangt sein soll, vereint Gemeinden zwischen Lahnstein und Diez. Initiator ist der engagierte Geschäftsmann Diethelm Gresch, der das Festival ins Leben rief und dessen Begeisterung für die zahlreichen kulturellen und historischen Stätten der Region keine Grenzen kennt: „Wir haben wundervolle Schauplätze zwischen Lahnstein und Diez: Burgen, Kirchen, das Steinsche Schloss in Nassau, Kloster Arnstein, das Kurtheater und den Marmorsaal Bad Ems, Häckers Grandhotel und das Leifheit-Kulturhaus in Nassau.“
Festivalleiter Diethelm Gresch |
Unermüdlich setzt sich Diethelm Gresch für die Belebung jener historischen Orte durch ein breit gefächertes Programm ein, kennt Anekdoten und Geschichten und weiß prominente Künstler wie Festivalgäste gleichermaßen zu begeistern, wobei auch die Jugendförderung durch integrative Projekte und Meisterklassen nicht zu kurz kommt. Durch vielseitige künstlerisch hochwertige Beiträge von der Musik über bildende Kunst, Schauspiel, Philosophie, Literatur und Tanz, sollen unterschiedliche Publikumsschichten angesprochen werden. Sommerbälle und musische Feste runden das Programm ab und laden zum Mitmachen ein. Zu Beginn der Initiative galt es gewisse Hürden zu überwinden, doch die anfängliche Skepsis ist nach acht Jahren einem gewissen Wohlwollen gewichen, bemerkt Diethelm Gresch. Für die Zukunft wünscht er sich, dass Bad Ems zum Weltkulturerbe erklärt würde.
Kurtheater Bad Ems - Offenbachs Wirkungsstätte |
Ein wenig wie in einem Märchenschlaf wirkt die kleine Stadt Bad Ems an einem Sonntag Morgen. Wenige Menschen sind auf der sonnigen Promenade zu finden, die in vergangenen Zeiten als mondänes Kurzentrum hunderte Menschen aus allen Himmelsrichtungen anzog. Dass das Städtchen so viele Künstler anlockte, ist nach einem kurzen Blick in die imperial gesellschaftliche Vergangenheit dieses Ortes nicht mehr verwunderlich. Das Kurtheater, der Marmorsaal, die herrschaftlichen Gebäude wie das Schoss Balmoral, das Grand Hotel und das kaiserliche Bad sind Zeugen dieses alten Glanzes. Sie bilden eine Kulisse, die einem aufwendigen Historienfilm entsprungen sein könnte.
Grand Hotel Häcker |
Marmorsaal im Staatsbad |
Über die Offenbach Promenade vorbei an all den Gedenktafeln kommt der Reisende auf seinem Weg auch an einem kleinen Antiquitätengeschäft vorbei, das den Titel „Schatzkiste an der Lahn" trägt.
Bereits nach einem kurzen Besuch wünscht man sich an diesen Ort wieder zu kehren und mehr in jener Schatzkiste zu graben. Im Wasser der Lahn spiegelt sich der Glanz vergangener Zeiten, doch der Mut neuer Kulturschaffender verspricht mehr als Nostalgie und Sehnsucht nach der guten alten Kaiserzeit. Das Festival gegen den Strom hat noch viel vor, möge die fürstliche Empfangshalle zukünftig alle jene Besucher empfangen, die Neugier verspüren, einzutauchen und die eine oder andere Perle zu entdecken, die hier - gegen den Strom der Zeit - zu finden ist.
Weiterführende Links:
http://www.festival-gegen-den-strom.de/
"Die Schäfer" während der Offenbach Tage des Festivals-gegen-den-Strom:
Komische Oper in 3 Akten von Jacques Offenbach
Text von Hector Crémieux und Philippe Gilles, Deutsch von Ralph-Günther Patocka
Musikalische Leitung: Felix Barsky
Inszenierung: Annegret Ritzel
Kostüme: Gera Graf
Eros/Intendant/Jeannet: Anna-Sophie Kostal
Myriam/Colin/Nicot: Dominik Söns
Daphne/Annette/La Rouge: Melanie Wurzer
Chrysäa/Marquise/La Sincère: Ghazal Kug
Palämon/Marquis/Vautendon: Michael Feigl
Alphesibé/Amtmann/Le Menu: Nataliia Ulasevych
Die Produktion "Die Schäfer" des Festivals-gegen-den-Strom 2016 in der Inszenierung von Annegret Ritzel kann für Gastspiele gebucht werden. Ausstattung und Bühnenumsetzung sind tourneegerecht transportier- und flexibel einsetzbar.
Für Preise, Demomaterial und weitere Informationen kontaktieren Sie uns bitte unter office@kundkwien.com oder +43 1 4063365.
P.R.Klose, Kapfenstein, September 2016